Über Rikuzentakata
Rikuzentakata ist die südlichste Stadt an der Küste der Präfektur Iwate. Das „Rikuzen“ (wörtlich „vor dem Festland“) im Namen deutet darauf hin, dass Rikuzentakata in der isolierten Region im Norden Japans der Ort war, der am nächsten zur alten Hauptstadt Kyoto lag.
Als Teil des Sanriku-Fukkō-Nationalparks („Sanriku-Wiederaufbau-Nationalpark“) ist Rikuzentakata umringt von wunderschöner Natur, wie Bergen, Flüssen und dem Meer. Außerdem gibt es hier die größte ebene Fläche der gesamten Sanriku-Küste, welche sich hunderte Kilometer weit über drei Präfekturen erstreckt.
Vor vierhundert Jahren, als Japan bekannt war als das Land des Goldes, gab es in Rikuzentakata eine florierende Goldmine. Heutzutage wird die Stadt durch Fischerei- und Agrarprodukte wie Muscheln, Austern und Wakame-Seetang gestützt. Die Austern Rikuzentakatas sind besonders berühmt und erzielen japanweit hohe Preise. Rikuzentakata ist ebenso für seine Apfelplantagen bekannt, welche sich nirgends sonst so nah am Meer finden lassen.
Die Stadt Rikuzentakata erlitt beträchtlichen Schaden durch die Große Erdbebenkatastrophe Ostjapans und den folgenden Tsunami am 11. März 2011. 1556 Einwohner wurden für tot erklärt, 203 werden noch immer vermisst. Das Land und die Infrastruktur wurden enorm beschädigt.
Während sich Rikuzentakata vom Tsunami erholt, streben wir mehr als nur einen strukturellen oder wirtschaftlichen Wiederaufbau an. Wir trachten danach, eine neue Art einer einladenden und inklusiven ländlichen Umgebung in Japan zu erschaffen: Eine, in der jeder in Not Hilfe erhält und alle in der Lage sind, jeden Tag in Frieden auf ihre eigene Art und Weise zu leben.
Rikuzentakatas Geschichte
Die Region, die heute Rikuzentakata heißt, ist seit über eintausend Jahren bewohnt, seit einer Zeit, bevor sich die Landwirtschaft in Japan verbreitet hat. Die ersten Bewohner dieser Gegend waren hauptsächlich Jäger. Forscher entdeckten Schalen und Knochen der Meeresfrüchte, die von diesen Siedlern gegessen wurden, sowie Fischhaken und andere Werkzeuge.
Um das Jahr 800 n.Chr., ein paar hundert Jahre nachdem sich das Agrarwesen in Japan ausgebreitet hat, wurde die Gegend des gegenwärtigen Rikuzentakatas in das japanische Herrschaftsgebiet mit aufgenommen. Kurz darauf begann für die Tamayama Goldmine in Rikuzentakata eine Zeit des Wohlstands. Es sind noch heute viele Tempel und Schreine zu sehen, die in dieser Zeit gebaut wurden, vermutlich das Resultat dieses wirtschaftlichen Aufschwungs.
Trotz verschiedener Zeiten des Wohlstands aber waren das kalte Klima und die bergige Landschaft Rikuzentakatas ungeeignet für einen großflächigen Reisanbau. Die Stadt erlebte über die Jahre viele schlechte Ernten und Hungersnot. Hinzu kommt, dass die Gegend besonders anfällig für Erdbeben, Tsunamis und Taifune ist, weshalb die Bewohner Rikuzentakatas es über Jahrhunderte gewöhnt waren, verschiedene Notlagen zu erleiden und zu überwinden.
Vor circa 350 Jahren bepflanzten zwei einheimische Bauern einen breiten Streifen entlang der Küste Rikuzentakatas mit Kiefernsetzlingen in der Hoffnung, dass sie, wenn sie zu großen Bäumen herangewachsen waren und sich vermehrt hatten, die Felder im Landesinneren vor den rauen Küstenwinden beschützen würden. Dieser Küstenwald wurde bekannt als der Takata Matsubara („Takata Kiefernhain“) und wuchs an auf eine Größe von circa 70.000 Bäumen in einem dichten Kiefernhain von ungefähr zwei Kilometern Länge.
In den späten 1960ern wurde eine Zugstrecke nach Rikuzentakata gelegt. Die sich entwickelnde Wirtschaft bestand hauptsächlich aus dem Rohstoffabbau, der Forstwirtschaft und der Fischerei. In den Sommern war die Stadt voll von Besuchern, die nach Rikuzentakata kamen, um in der Hirota Bucht zu schwimmen und an den weißen Sandstränden unter dem hohen Geäst des Takata Matsubara zu entspannen.
Rikuzentakata: eine vorsätzlich inklusive Gemeinde
Als Futoshi Toba, der Bürgermeister Rikuzentakatas, in seinen Zwanzigern einige Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika verbrachte, war er beeindruckt vom Grad der Inklusion und Barrierefreiheit, den er dort beobachtete. Jetzt, als Bürgermeister, nutzt er diese Erfahrung als Motivation, übergreifende soziale Inklusion zu implementieren, während er daran arbeitet, die Stadt Rikuzentakata nach den Ereignissen des Tōhoku-Erdbebens und des Tsunamis wieder von Null aufzubauen.
Genannt „Rikuzentakata: eine vorsätzlich inklusive Gemeinde“* bezeichnet dieser Beschluss die detaillierten Bemühungen der Stadt, um Rikuzentakata zu einer offenen, einladenden und, am aller wichtigsten, barrierefreien Stadt für jeden, ungeachtet seines Alters, Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, körperlichen Fähigkeiten oder Nationalität zu machen. Dies schließt sowohl die Infrastruktur ein, als auch Bestrebungen in der urbanen Gestaltung, wie universelle Gestaltungsstandards für die Barrierefreiheit neuer Gebäude, sowie kulturelle und soziale Bemühungen, wie das Schaffen von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung. Dieses Niveau der Hingabe, eine komplette Stadt barrierefrei zu gestalten, ist eine einzigartige Gelegenheit für Rikuzentakata, da die Stadt nach dem Tsunami fast von Null wieder aufgebaut wird. Für unsere gegenwärtigen und zukünftigen Einwohner sowie die Besucher der Stadt bemühen wir uns, diese Chance voll und ganz auszunutzen.
*Die wörtliche Übersetzung des japanischen Titels dieser Bestimmung zur sozialen Inklusion lautet „Rikuzentakata: eine Gemeinde, die das Wort ‚Normalisierung‘ nicht nötig hat;“ allerdings hat die Stadt beschlossen, den Titel nicht direkt ins Deutsche zu übersetzen, da das Wort „Normalisierung“ in den beiden Sprachen unterschiedliche Assoziationen hervorruft.